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Zoff: Zitadelle Spandau oder Zitadelle Berlin?

Der Bezirk hat mehr zu bieten, als nur die Renaissancefestung

Zitadelle Spandau bei Nacht

Zitadelle Spandau bei Nacht (Foto: Ralf Salecker)

Wem gehört die Zitadelle in Spandau? Historisch korrekt ist allein die Bezeichnung Zitadelle. Trotzdem ist die gewachsene Bezeichnung Zitadelle Spandau tief in den Köpfen oder Herzen der Spandauer verankert. Sind Namen Schall und Rauch oder haben sie eine besondere Bedeutung? Diese Frage erhitzte kurze Zeit die Gemüter. Tourismusexperten, so hieß es, hätten die Zitadelle in Spandau (hier und anderswo meist „Zitadelle Spandau“ genannt) in „Zitadelle Berlin“ umbenannt. Die Zitadelle solle als Berliner und nicht als Spandauer Sehenswürdigkeit vermarktet werden. Kaum ein Tourist würde etwas mit einer „Zitadelle Spandau“ anfangen können, mit „Berlin“ im Suchbegriff dagegen schon. Das, was als Neuerung erschien, war aber schon lange Zeit gelebte Realität. Die Webadresse der Zitadelle lautete etwa seit Juni 2016 nicht mehr www.zitadelle-spandau.de, sondern www.zitadelle-berlin.de. Entsprechend fand auch die Eigenwerbung statt. Bis vor kurzem hat dies aber niemanden interessiert. VisitBerlin bezeichnet die Zitadelle als „Zitadelle Spandau.“

Keiner nimmt uns die Zitadelle!

Die Zitadelle Spandau am Havelradweg (Foto: Ralf Salecker)

Die Zitadelle Spandau am Havelradweg (Foto: Ralf Salecker)

Eine Bedeutung der Diskussion ließ sich ohne Schwierigkeiten erkennen: Die besondere emotionale Beziehung von einigen Spandauern zur traditionellen Bezeichnung „Zitadelle Spandau“ ließ die Kommentare in der Diskussion in den sozialen Medien schnell sehr lautstark werden. Eine sachliche Argumentation war nur selten zu finden. „Niemand nimmt UNS UNSERE Zitadelle weg!“ So könnte man die Kernaussage zusammenfassen. Einige Vorwürfe gegen die „Änderer“ gingen schnell unter die Gürtellinie. Nur war überhaupt nicht klar, ob diejenigen, die sich mehr oder weniger laut zum Thema äußerten, auch nur im Ansatz eine Mehrheit der Spandauer vertreten. Zeitungen und Fernsehen berichteten ebenfalls – fast im Stundentakt – über das Thema. Spandau im „Zentrum“ medialer Aufmerksamkeit. Etwas weniger Emotionalität und mehr inhaltliche Auseinandersetzung täten der Sache bestimmt gut.

Auf die lautstarke Empörung „musste“ augenscheinlich auch „die Spandauer Politik“ schnell reagieren. Erst wurde vorsichtig angedeutet, dass sich eigentlich nichts ändern würde, dann schließlich sollen alle Namensänderungen rückgängig gemacht werden. Kai Wegner, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU Spandau, geht davon aus, dass die Internetseite und alle anderen Werbematerialien der Zitadelle nun wieder umgestaltet werden.

Eine grundsätzliche Kritik am Begriff „Zitadelle Berlin“ kam von Historikern. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges bezeichneten die damaligen Machthaber den Verteidigungsbereich rund um den sogenannten Führerbunker als „Zitadelle Berlin“. Die Umbenennung aus „Profitgründen“ in „Zitadelle Berlin“ wäre ein Eigentor, hieß es da. Der Berliner Historiker Prof. Dr. Felix Escher wird mit dem Satz zitiert: „Was weitläufig erscheinen will, ist doch nur geschichtsvergessen.“ Sollte oder muss man sogar bei solchen Namensdeutungen vorsichtig sein? Darf kein Begriff mehr genutzt werden, der missbraucht wurde oder missverstanden werden kann?

60 Millionen für die Zitadelle

Leninkopf - „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“

Leninkopf – „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ Foto: Ralf Salecker)

Mehr als 50 Millionen Euro flossen im Laufe der Jahrzehnte aus den Kassen des Landes Berlin, der Klassenlotterie und der EU in die Sanierung der Zitadelle. Um die Dauerausstellung „Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler“ zu ermöglichen, waren 13 Millionen Euro aus Lottogeldern und Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung sowie eine Million Euro vom Bezirksamt Spandau notwendig. Eine gewaltige Summe war also notwendig, um die Renaissancefestung in Schuss zu bringen.

Ziel dieser Förderung war die Stärkung der kulturtouristischen Anziehungskraft Spandaus und Berlins. Dem Senat war es 2007, als Millionen Euro für die Dauerausstellung auf der Zitadelle bewilligt wurden, wichtig zu betonen: „Berlin muss im gesamten Stadtgebiet einen Besuch lohnen!“ Schon zuvor, aber auch in den Jahren danach, kam immer wieder Kritik auf, Berlin und Spandau würden kein vernünftiges Nutzungskonzept für die Zitadelle entwickeln.

Manch einer könnte bei der emotionalen Auseinandersetzung auf den Gedanken kommen, die Zitadelle wäre das einzige Highlight, welches Spandau zu bieten hätte. Aus der „Havelstadt Spandau“ wurde 2005 aus Marketinggründen vor vielen Jahren die „Zitadellenstadt Berlin-Spandau“. Beide Bezeichnungen haben ihre Berechtigung, weil sie für nachvollziehbare Ansätze stehen. Die Havelstadt sollte einerseits die historische Verbindung zum Havelland aber auch – nach dem Mauerfall – die neuen möglichen Verknüpfungen ins Havelland hinweisen. Mit der dem Begriff Zitadellenstadt legte man den Fokus auf das „spektakuläre“ und offensichtliche.

Unendliche Weiten… – Berlin ist mehr als seine Mitte

Zitadelle Spandau - Malerei (Foto: Ralf Salecker)

Zitadelle Spandau (Foto: Ralf Salecker)

Lange Jahre war touristische Berlin-Werbung allein eine Werbung für das Herz Berlins. Touristen wagen sich maximal bis zum Schloss Charlottenburg, nahm man an, und fütterte sie entsprechend mit Informationen. Dahinter begann das unentdeckte Land. Rings um das Zentrum Berlins war die touristische Landkarte weiß. Zuerst entwickelte Köpenick ein eigenes unabhängiges Selbstbewusstsein, was touristische Werbung anbelangt, weil die Bedeutung für die regionale Wirtschaft erkannt wurde. Bei Spandau war es später ähnlich.

Nun, da die Zahl der Berlin-Touristen erfreulicherweise immer noch stetig steigt, aber unerfreulicherweise auch Probleme verursacht, richtet sich der Blick stärker auf die Randbezirke. Die überlaufenen touristischen Ziele in Berlin sollen entlastet werden, indem man bisher unbeachtete Berliner Bezirke, ihre Ortsteile und Sehenswürdigkeiten besser vermarktet. VisitBerlin pflegt seit längerer Zeit in seine App und Website touristische Sehenswürdigkeiten aller anderen Berliner Bezirke ein. Als erste Information ist das schon mal nicht schlecht, reicht aber bei Weitem nicht aus. Deshalb fördert VisitBerlin die touristische Werbung der Bezirke zusätzlich finanziell. So war es Spandau 2017 möglich, eine umfangreiche Broschüre zur Präsentation des Bezirks auf der ITB zu drucken.

Der Tagesspiegel vom 29.1.2018 titelte: „Bezirke verstecken sich hinter der Marke Berlin“. Im Untertitel heißt es weiter: „Auch in anderen Teilen der Stadt wird provinziell klingendes abgeworfen.“ Dazu liefert der Beitrag passende Beispiele. Alle interessanten touristischen Orte geben nach und nach ihre ursprünglichen Namen auf. So hat die Umbenennung der Zitadelle möglicherweise eine spannende Diskussion in Gang gebracht.

Wie verhalten wir uns, wenn wir einen Urlaub in einer anderen Stadt planen? Machen wir uns die Mühe, Sehenswürdigkeiten nach Stadt- oder Ortsteilen zu suchen? Interessieren wir uns nicht zu allererst für die Orte und Sehenswürdigkeiten, die auch alle anderen besuchen? Sollen diese am besten nicht auch fußläufig erreichbar sein? Von diesem Gedanken ausgehend scheint es logisch, auch die Sehenswürdigkeiten der Bezirke als Berliner Sehenswürdigkeiten zu vermarkten.

Trotzdem täte den Bezirken mehr Selbstbewusstsein gut. Dabei reicht es nicht, nur die lokalpatriotische Fahne zu schwingen, ohne Inhalte zu liefern. Stolz auf etwas kann man nur sein, wenn man selbst seinen Teil, wie klein er auch immer sein möge, dazu beigetragen hat. Stolz als Zeichen der Abgrenzung ist nur kontraproduktiv. Spandau hat über Jahre ein Image gepflegt, welches immer wieder die „Zwangseingemeindung nach Berlin“ problematisierte. Manch Spandauer hat deshalb das Gefühl, ein besserer Mensch zu sein als die restlichen Berliner. Mit einem solchen Anspruch schafft man sich keine Freunde und fördert nur die Abneigung von Besuchern der Stadt gegenüber Spandau. Spandau hat viel zu bieten. Darüber muss immer wieder berichtet werden. Nörgeln über unbefriedigende Zustände ist wenig zielführend.

Die Zeiten, als Berliner und Spandauer zur Erbauung der Obrigkeit gegeneinander in die Schlacht zogen, sind längst vorbei. Letztendlich wurden beide missbraucht, weil sie nur Staffage für einen Versuch waren, die Nikolai-Kirche in der Altstadt zu zerstören. Freundlich frotzelnd gepflegte „Feindschaften“ mit der nahen Nachbarschaft gibt es überall. Zum Problem werden sie nur dann, wenn man sie zu ernst nimmt. Dagegen tragen sie zum Lokalkolorit bei, wenn sie mit einem Augenzwinkern verbunden sind.

Spandau mit eigener Tourismusbeauftragten

Jana Friedrich ist Spandaus Tourismusbeauftragte

Jana Friedrich ist Spandaus Tourismusbeauftragte (Foto: Privat)

Wie wichtig dem Bezirk Spandau die touristische Entwicklung ist, zeigt sich in der Schaffung einer eigenen Vollzeitstelle für eine Tourismusbeauftragte. Tourismus gehört zu den bedeutsamsten Wirtschaftsfaktoren Berlins. Vom stetig steigenden Tourismusstrom möchte auch der Bezirk profitieren. Das schafft und sichert Arbeitsplätze. Dem wird mit der neuen Tourismusbeauftragten Jana Friedrich Rechnung getragen. Bisher lastete das Marketing für den Bezirk allein auf den Schultern von Partner für Spandau. Besonders durch den Weihnachtsmarkt kamen viele Besucher nach Spandau.

Möglicherweise kommen auch die Spandauer Übernachtungsanbieter nun auf den Gedanken, dass Spandau mehr ist als nur die Schlafstadt für Berlin-Besucher. Bisher sind Hinweise für ihre Übernachtungsgäste auf touristische Sehenswürdigkeiten im Bezirk eher rar gesät.

Das Citadell Music Festival bringt viele Besucher in die Zitadelle und damit nach Spandau. Bisher ist es aber nicht gelungen, diese auch für den Rest Spandaus oder auch die Zitadelle selbst zu interessieren. Für die meisten Konzertbesucher ist diese nur eine schöne Kulisse. Die wenigsten werden die Renaissancefestung mit ihren Museen, Kunstausstellungen, Künstlern und Kunsthandwerkern näher in Augenschein nehmen, geschweige denn die Altstadt oder andere Ortsteile besuchen. Nach den Konzerten geht es schnell wieder ab nach Berlin.

Es gilt also, Wege zu finden, um Besucher für Spandau und seine kulturellen und touristischen Angebote zu interessieren oder gar zu begeistern.

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Zeitreise durch Spandau

Direkter Luftbildvergleich zwischen 1928 und 2015

Direkter Luftbildvergleich zwischen 1928 und 2015

Direkter Luftbildvergleich zwischen 1928 und 2015

Der Tagesspiegel hat einen spannenden Luftbildvergleich online gestellt, der alte Luftbilder von 1928 aus Berlin mit solchen aus dem Jahr 2015 in Deckung bringt. Ein Schieberegler ermöglicht eine Online-Zeitreise und bietet die Möglichkeit für spannende Entdeckungstouren. Die alte Karte zeigt noch viele Spuren der alten Festungsstadt Spandau. Schanzanlagen, auf die heute nur noch Namen hindeuten, sind in Haselhorst an der Daumstraße erkennbar. Die Pionierinsel, oberhalb der Insel Eiswerder, scheint erst in neuerer Zeit entstanden zu sein.
Spandau
Schaut man sich Spandau aus der Luft an und wirft einen Blick auf die Spandauer Altstadt, dann springen gleich mehrere deutliche Veränderungen ins Auge. Die Altstadt ist zu diesem Zeitpunkt noch ein intaktes „Altstadt-Ei“. Keine Straße Am Juliusturm schneidet den Behnitz vom Rest der Altstadt ab. Damals hieß sie noch Berliner Chaussee. Die Juliusturmbrücke selbst liegt noch etwas weiter südlich als heute. Selbst das Spandauer Knie war damals viel länger. Bald wird es deutlich mehr gekappt werden. Heute bildet der Falkenseer Platz einen großen Kreisverkehr, den mehr als 50.000 Fahrzeuge täglich passieren, in der alten Karte sind noch Häuser erkennbar. Die Garnisonskirche steht noch an ihrem Platz.
1928 gab es zwar schon die Charlottenbrücke und die südlich davon liegende Eisenbahnbrücke. Von der etwas weiter südlich gelegenen 1956 errichteten Dischinger Brücke fehlt natürlich noch jede Spur.
An der Freiheit lockte früher die Trabrennbahn ihre Besucher aus Berlin nach Spandau. Die Spree, parallele zur Freiheit, verlief noch etwas anders.
Wilhelmstadt
Die ehemalige Potsdamer Vorstadt, welche anlässlich des 100. Geburtstags des Kaisers im Jahr 1897 ihren heutigen Namen erhielt, war noch nicht so dicht bebaut. Ganze Häuserkomplexe existierten noch nicht.
In der Wilhelmstadt fehlt heute ein Stück des Altarms der Havel am Südhafen, welcher auf der alten Karte noch deutlich zu sehen ist. Etwas nördlicher, gegenüber dem Schifffahrtsufer, ist heute nur ein kleines Zipfelchen des Havelaltarm zu erkennen, welches früher deutlich größer war. Deutlich umfangreicher ist heute der Grimnitzsee. Heute ist wahrscheinlich kaum jemandem bekannt, dass über den Südparksee ein kleiner Weg führte, dort, wo heute nur eine kleine Insel zu sehen ist.
Falkenhagener Feld
Auch im Ortsteil Falkenhagener Feld sind spannende Unterschiede zu entdecken. Vor rund 100 Jahren erstreckten sich hier noch Felder und Wiesenflächen. Kein Spektesee lud zum Baden ein. Dafür war der heutige Spektegrünzug als feuchte Niederung auch damals schon erkennbar. Die heutige Falkenseer Chaussee war nur eine einspurige Kopfsteinpflasterstraße.
Wer heute den Friedhof in den Kisseln aus der Luft betrachtet, sieht nur noch Bäume. Die Wege-Strukturen sind gerade noch zu erahnen. 1928 dagegen sind diese deutlich zu erkennen.
Staaken
In Staaken sind schon 1928 die Konturen der Gartenstadt erkennbar, schließlich wurde sie zwischen 1914 und 1917 nach dem Entwurf des Architekten Paul Schmitthenner in dem damaligen Dorf Staaken erbaut. Die alte Karte zeigt noch die Fläche des Flughafen Staakens, von dem heute nur noch wenige Relikte zeugen. Auch das Fort Hahneberg ist 1928 noch als Festungsbau deutlich zu erkennen.

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