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Lenin und die Puppen in der Zitadelle

Ende April eröffnet die Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“

Figuren der ehemaligen Siegesallee

Figuren der ehemaligen Siegesallee (Foto: Ralf Salecker)

Viel Presserummel gab es um Lenins Kopf in der Zitadelle Spandau. Nun steht die Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“, in der er nur ein Objekt von vielen ist, kurz vor ihrer Eröffnung. Am 29. April 2016 ist es soweit, dann werden u.a. auch die Reste der 32 Figurenensembles der ehemaligen Siegesallee zu sehen sein. Sie stellen Markgrafen und Kurfürsten Brandenburgs und Könige Preußens zwischen 1157 und 1888 dar. Kaiser Wilhelm II. stiftete sie im Jahre 1895 den Bürgern der Stadt. Berliner Schnauze machte daraus schnell die Puppenallee.

Die Kunstamtsleiterin und Leiterin des Stadtgeschichtlichen Museum, Andrea Theissen, ist optimistisch, dass diesmal nichts mehr dazwischen kommt. Man kann viel aus der Geschichte lernen, wenn man die in Stein gehauenen Objekte betrachtet, die zu unterschiedlichen Zeiten geschaffen wurden. So ist der Lenin-Kopf in der Ausstellung auch keine kritiklose Würdigung eines Diktators, wie einige Kritiker gerne behaupten. Es werden Figuren zu sehen sein, die nach einem Regierungswechsel nicht mehr genehm waren und aus dem Stadtbild entfernt wurden.

Die ideologisch geführte Auseinandersetzung um den dreieinhalb Tonnen schweren roten Granitschädel hat zu einer besonderen Aufmerksamkeit für die Ausstellung auf der Renaissancefestung geführt. Die Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ wird also ganz bestimmt viele Neugierige auf die Zitadelle nach Spandau locken. Dann wird der Blick auch auf die anderen Objekte vom 18. Jahrhundert bis zur Wiedervereinigung fallen. Nach der Ausstellung folgt dann möglicherweise ein Spaziergang durch die Spandauer Altstadt oder den Behnitz.

 

Entdeckungen während der Umgestaltung der Gebäude

Magazin auf der Zitadelle während der Sanierung

Magazin auf der Zitadelle während der Sanierung (Foto: Ralf Salecker)

Viele Jahre Arbeit am Proviantmagazin an der östlichen Seite der Zitadelle und der ehemalige Kaserne im nördlichen Bereich hat es gedauert, um die Gebäude ausstellungsgerecht vorzubereiten. Nach immer neuen Verzögerungen ist es nun endlich soweit. Im ehemaligen Proviantmagazin wird die Ausstellung der Berliner Denkmäler, die einst das Stadtbild prägten, zu sehen sein. Mit rund 14 Millionen Euro unterstützten EU und Lotto-Mitte die Umgestaltung zum Ausstellungsgebäude. Denkmäler aus der Zeit vor der Reichsgründung, aus der Zeit des Kaiserreichs, aus der Weimarer Republik und der NS Zeit bis hin zu Denkmälern aus Ost- und West-Berlin bis 1989 werden in dieser Ausstellung ihren Standort finden. Aus der ehemaligen Kaserne wurde ein Raum für Wechselausstellungen. Hier entstand ein Ort für Tagungen und Veranstaltungen. Im ersten Jahr der Ausstellung gibt es hier Informationen über die wechselvolle Geschichte der Denkmäler und die der politischen Denkmalkonzepte.

Während der Instandsetzungsarbeiten am ehemaligen Proviantmagazin stieß man auf Mauerwerk welches aus der Zeit der Grundsteinlegung der Zitadelle vor 400 Jahre stammt. Etwa 2,50 Meter unter der heutigen Geländeoberkante kamen Überreste von fünf Kammern ans Tageslicht, die laut dendrochronologischer Untersuchung (zeitliche Datierung aus den Baumringen) aus dem Winter 1558/59 datieren.

Das Magazingebäude ist schon auf dem „Lynarplan“ aus dem Jahr 1578 verzeichnet. Allerdings war es ursprünglich um einige Achsen länger und die an der Wallseite gelegenen Kasematten lagen beschusssicher unter der Erdschüttung des Walles verborgen. Obwohl die Explosion der Pulverkammer auf der Bastion Königin in Folge der Beschießung von 1813 das Proviantmagazin stark in beschädigt hatte, ist das frei gelegte ältere Mauerwerk erhalten geblieben. Trotzdem bleiben Fragen. Die Bedeutung und ehemalige Nutzung des entdeckten Mauerwerks ist bisher ungeklärt. Bodendenkmalpfleger Gunnar Nath vermutet, dass die Kammern als Munitionsdepot oder als Gefängniszellen genutzt wurden.

 

Verschwundene Denkmäler

Einst waren sie Ausdruck von Macht und Propagandamittel ihrer Zeit, die bis zu sechs Meter hohen Statuen der Figurenensembles der Siegesallee, der Leninkopf oder der „Zehnkämpfer“, geschaffen von Arno Breker. Vom einstigen rund 19 Meter hohen Lenin-Denkmal auf dem heutigen Platz der Vereinten Nationen hat nur der Kopf seinen Weg ins Spandauer Museum gefunden. Auch die Figuren der Siegesallee sind nicht mehr vollständig. Teile der Ensembles sind verloren gegangen, andere stark beschädigt. Distanz zu den Skulpturen der Ausstellung wird es nicht geben, sie dürfen berührt werden. Der Besucher soll sich in die Vergangenheit zurückversetzt fühlen, an einen fernen Tag kurz nach der letzten Jahrhundertwende.

Die „verschwundenen Denkmäler“, die nach Regierungswechseln in Ungnade gefallen sind, stehen als Zeugen der NS-Diktatur oder Relikte des Kommunismus. Mit Hilfe dieser stummen Zeugen will die Ausstellung auf der Zitadelle eine historische Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Figuren zeigen. Propaganda kann auch schnell nach Hinten losgehen, wenn „Volkes Stimme“ die überhöhte Darstellung von Geschichte ganz prosaisch auf ein Normalmaß herunterbricht. Kaiser Wilhelm II. wird wohl wenig erfreut gewesen sein, seinen historischen Bogen über eine 1000jährige Geschichte auf Puppen reduziert zu sehen.

 

Die schönsten Fotos von der Ankunft der Figuren der Siegesallee auf der Zitadelle

 

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